2. Besuch im Tierheim in Gheorgheni – als Karpatenstreunerin zu den Karpatenstreunern

26. Juli 2012

Es gibt Tage, die braucht kein Mensch. Eigentlich wollte ich heute ganz viel schaffen, fotografieren und Hunde vermessen, mich um einige Angsthunde kümmern und versuchen, ihr Vertrauen zu erlangen, eine schöne Arbeit, auch wenn sie viel Geduld verlangt.

Statt dessen: schon am Morgen ein todkranker Welpe – Parvo. Für ihn gibt es keine Hilfe mehr, ich lege ihn in den Schatten und streichle ihn. Er hat seine Reise angetreten. Drei weitere sehen ziemlich mitgenommen aus, abgemagert, dehydriert und schlapp. Blut im Urin bei einem Baby gefällt mir gar nicht. Wir bringen die drei ins Haus, ich bin froh, dass ich meine aus Miercurea Ciuc bewährten homöopathischen Medikamente bei mir habe. Es beginnt der altbekannte Wettlauf mit dem Sterben: Injektionen mit Engystol, um das Immunsystem anzukurbeln, Infusionen mit Ringer-Lactat gegen das Austrocknen und alle zwei Stunden erneute Beobachtung spezifischer Symptome, die mir dann zeigen, welches homöopathische Medikament angezeigt ist. Ich hasse es, diese ausgemergelten Tierchen mit Spritzen zu traktieren und zwangsweise mit Vitaminpaste zu füttern.

Sie haben alle drei Fieber, glasige Augen und mehr oder weniger schlimmen Durchfall, aber Sammi und Marli trinken noch selber, wenn man ihre Schnauzen ins Wasser stupst. Temperatur bei allen ca. 39,6 °C.

Sie bleiben ab jetzt im Haus, und kuscheln sich eng zusammen in ein Regalfach. Von oben nach unten: Paulchen, Sammi und Marli. Ich habe ihnen die Namen gegeben, vielleicht hilft das ja …

Aber etwas Schönes haben wir heute auch fertig bekommen.

Für Anjali und ihre 6 Welpen haben wir einen komplett neuen Zwinger errichtet, auf diesem Teil des Geländes gab es noch keine Parvo. Bis 21.30 Uhr haben wir zu dritt geschuftet, und selbst die schüchterne Anjali hat gestrahlt, als wir sie alle umgesetzt haben: Statt 1,5 x 1,5 m haben sie nun 2,5 x 5 m zur Verfügung. Dazu funkelnagelneue Edelstahlnäpfe. Das war ein schöner Tagesabschluss.

Inständig wünsche ich mir, dass diese Welpen von dem Virus verschont bleiben. Im Grunde dürften wir die Kleinen gar nicht mit derselben Kleidung und den Schuhen, die wir bei den Parvowelpen tragen, berühren. Aber diese Art der Hygiene ist dort unmöglich einzuhalten. Es bleibt nur die Hoffnung …

Abschließend schaue ich bei den drei Kleinen vorbei, es stinkt im Raum. Diese Krankheit hat ihren eigenen ganz typisch-ekligen Geruch. Morgen früh werde ich mit gemischten Gefühlen zum TH gehen.

27. Juli 2012

Noch leben alle drei Parvo-Welpen, aber überstanden ist die Krankheit noch lange nicht.

Marli auf dem Behandlungstisch.

Schnell habe ich meinen Rhythmus gefunden: Alle zwei Stunden Welpenbehandlung, dazwischen “portionsweise” Zwingerhunde besuchen, kleinere Probleme wie entzündete Augen behandeln, für die Homepage die Hunde fotografieren und beschreiben.

In der Zwischenzeit kann ich mich endlich auch den anderen Hunden widmen:

Pinky ist immer noch handscheu, aber nicht panisch. Ihm fehlt sicher nur ein Mensch, der ihm zeigt, dass man den Zweibeinern vertrauen darf.

Noru ist seit Ende Mai im Tierheim, vorher lebte er wahrscheinlich an einer Kette, er kam in schrecklicher Verfassung ins Tierheim, mit wund gescheuertem Hals und an vielen Körperstellen ohne Fell. Er liebte die Menschen trotz allem sehr und klammerte sich regelrecht an einen und bettelte lautstark um Aufmerksamkeit. Sein Fell ist nun wieder nachgewachsen und inzwischen hat er auch gelernt, dass er mal Ruhe geben muss. Aus dem übernervösen überdrehten Tier ist ein freundlicher junger Hund geworden, der mit seinen 60 cm Schulterhöhe jedoch immer noch ganz schön stürmisch sein kann.

Er hat zwar den Clip im Ohr, der besagt, dass er kastriert ist, aber ob er sich auf der Straße zurechtfinden würde? Oder käme er wie die ehemalige Straßenhündin Laura, die nach der Kastration auf dem Gelände eines Supermarkts freigelassen wurde, immer wieder zum Tierheimgelände zurück? Zur Fütterungszeit klettert sie auch schon mal über den Zaun, was regelmäßig zu erheblichem Aufruhr in allen Zwingern führt.

Coffee erscheint mir viel entspannter als im Mai, er lässt sich sogar streicheln.

Gabriel, der schöne menschenbezogene Rüde

Miori ist neu im Tierheim, ein Ciobanesc Romanesc Mioritic (mix?), ein typischer Hirtenhund der Walachei im Süden Rumäniens.

Perec ist eine kleine quicklebendige Maus, eine junge Hündin, die sicherlich ihre Scheu vor den Menschen schnell verlieren wird.

Das ist Testör. Ca. 50 cm hoch, etwa 4 Jahre alt, wild und stürmisch lese ich auf meinem Spickzettel, ich meine, es war ein Rüde.

Der junge Wasja ist der einzige in der Junghundegruppe, der sich immer noch nicht anfassen lassen will, selbst die drei Marys halten inzwischen wenigstens still.

Petyar weiss gar nicht, wie stark er in Wirklichkeit ist. Ich muss immer aufpassen, dass er mich nicht vor lauter Liebe umwirft.

Gegen drei Uhr nachmittags bin ich wieder bei den Welpen

Dem kleinen Paulchen geht es sehr schlecht, obwohl das Fieber gesunken ist, stöhnt und winselt er. Er ist so winzig in meinem Arm, ich weiss was nun kommt, und wünsche ihm, dass es schnell geht. Um halb vier hat das Herzchen aufgehört zu schlagen. Ich lege ihn auf eine Decke, Sammi sucht seine Wärme, aber nach kurzer Zeit ist das Tierchen kalt.

GUTE REISE KLEINES PAULCHEN, ich weine um dich.

Jetzt bin ich definitv soweit, sie alle aufzugeben. Es wirkt so hoffnungslos. Aber ich mache weiter: Injektionen und Infusionen, Vitamine ins Mäulchen und viele Streicheleinheiten. Sammi bürste ich sogar ganz vorsichtig, es gefällt ihm, er will, dass ich sein Bäuchlein kraule.

Alles ist eine Frage der Zeit und der Geduld

Daher genieße ich jetzt “meine” wunderschönen Hunde im Abendsonnenlicht. Endlich kühlt es etwas ab, ein warmer Wind erleichtert das Atmen. Ich besuche Pamacs, eine schöne souveräne Hündin. Sie liebt es gestreichelt zu werden, drängt sich jedoch nicht auf.

Moni ist eine ruhige souveräne Hündin, sie genießt die kühlere Abendluft genauso wie ich.

Die weiße Carina hat ihre Scheu vor Menschen weitestgehend verloren, sie kommt schon freiwillig zu mir.

Carinas Schwester Jenny, auch noch viel zu jung, um in einem Tierheim zu versauern. Sie tun mir so leid, die Tiere mit den langen Beinen, die sicherlich rennen und über Wiesen jagen wollen. Hier können sie sich nur rauf auf die Hütte, runter von der Hütte und einmal rund um die Hütte bewegen. Das gemeinsam mit einem halben Dutzend Artgenossen. Kein Wunder, wenn es bei der Enge hin und wieder ordentlich kracht.

Einige Welpen bewegen sich frei auf dem Gelände, einer davon, der einen gerne in die Waden zwickt, heisst er “Harapós“, was bissig bedeutet. Aber ganz so schlimm wie sein Name ist er gar nicht, eigentlich nur verspielt.

Ich wünsche mir, dass Marli und Sammi auch bald so spielen können.

Am Abend gegen 20.00 Uhr hat Sammi begonnen, etwas zu fressen. Man kann sich nicht vorstellen, wie froh ich in dem Augenblick war. Jetzt kann ich nur hoffen, dass alles drin bleibt. Auch Marli hat ein wenig Futter genascht, zum ersten Mal seit Mittwoch abend. Beide trinken freiwillig und das Fieber ist zurückgegangen auf 38,3 °C. Jetzt hoffe ich auf die kommende Nacht …