Teil 1
Immer wieder werden wir berechtigter Weise gefragt: Wenn ich einen Hund von euch adoptiere oder zur Pflege aufnehme, gefährde ich dadurch meinen eigenen Hund / meine Hunde? Oder: schleppen diese Hunde von Euch eventuell ansteckende Krankheiten nach Deutschland ein? Im Vordergrund steht dabei die Frage nach Krankheiten wie Tollwut, Parvovirose, Staupe oder Canine Hepathitis.
Vorab: Viele Hunde kommen als Welpen ins Tierheim, wenn sie Glück haben mit dem Muttertier, sehr oft jedoch auch ohne, weil irgendjemand sie irgendwo gefunden hat. Neue Welpen bleiben die ersten Tage im gekachelten Bad, eine richtige Quarantänestation haben wir leider noch nicht. Sofort nach Ankunft – egal in welchem Zustand – werden sie entwurmt mit Caniverm (Fenbendazol) bzw. Milprazol und gegen Ektoparasiten behandelt. Die nächsten Tage verbringen sie dort, der Kot wird beobachtet. Oft werden viele abgetötete Spulwürmer ausgeschieden. Die Behandlung wird etwa 10-14 Tage später wiederholt.
Sind die Welpen mindestens 4-6 Wochen alt (ohne Muttertier) bekommen sie die erste Parvo-Impfung speziell für Puppies.
Bisher sind wir von Parvovirose verschont gebleiben und hoffe, dass dies dank der konsequenten Maßnahmen so bleibt.
Im Alter von etwa 8 Wochen erhalten die Welpen die erste Polivalent-Impfung z.B von Virbagen oder Nobivac: DHPPi/L und die Tollwutimpfung mit 12 Wochen.
D = Distemper = Staupe H = Hepatitis P = Parvovirose PI = Para-Influenza-Virus = Zwingerhusten L = Leptospirose
Etwa einen Monat später die zweite (ohne Leptospirose) Ein Jahr später sollte diese Impfung wiederholt werden, danach folgen wir den Leitlinien der . „Ständigen Impfkommission Vet“.: „Staupe, HCC, Parvovirose: Wiederholungsimpfungen ab dem 2. Lebensjahr in dreijährigem Rhythmus sind nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausreichend. Leptospirose: Jährliche Wiederholungsimpfungen (in Endemiegebieten häufiger) sind zu empfehlen.“
Tollwutimpfungen müssen in Rumänien in den Tierheimen alljährlich erfolgen und werden auch zuverlässig durchgeführt.
Erwachsene Straßenhunde, die ins Tierheim kommen, werden einige Tage nach der Entwurmung sofort geimpft: gegen Tollwut, (einzige seuchenrechtlich relevante Impfung!) zusätzlich: einmalig Staupe, Parvo, Hepatitis (Minimum), die nach einem Jahr und anschließend alle drei Jahre wiederholt werden sollten. Dazu ist folgendes zu sagen: Das Immunsystem der Straßenhunde hat sich in der Regel mit diesen Viren auseinandersetzen müssen, Staupe und Parvovirose befallen in erster Linie Welpen und Junghunde. Hat ein Hund beispielsweise als Welpe auf der Straße die Staupe überstanden, ist er wahrscheinlich lebenslang immun dagegen. (Quelle: Molekulare Virologie, Susanne Modrow u.a.) Bei Parvovirose spricht man von mehreren Jahren. Erst sehr alte geschwächte Hunde, wie man sie mitunter auf den Straßen findet, können erneut an Parvovirose erkranken. Diese Hunde werden jedoch meist sofort eingeschläfert.
Alle Hunde, die ausreisen, sind nach einem der oben beschriebenen Schemata geimpft und halten die entsprechenden Wartezeiten ein! Sie stellen also keinerlei Risiko für die Hunde der neuen Besitzer oder in einer Hundeschule, etc. dar. Welpen werden erst im Alter von mindestens 4 Monaten in neue Familien abgegeben. Vorher ist eine Ausreise nicht möglich. Fünf Tage vor der Ausreise bekommen die Hunde das Breitband-Entwurmungsmittel Milbemax mit den Wirkstoffen Milbemycinoxim – Praziquantel, das auch der Prophylaxe der Herzwurmerkrankung dient. (Es gibt keine klaren Aussagen dazu, ob die rumänischen Karpaten als endemisch bezeichnet werden können). In berechtigten Verdachtsfällen beginnen wir eine Giardienbehandlung mit Metronidazol nach folgendem Schema: 5 Tage Einnahme, 5 Tage Pause, 5 Tage erneute Einnahme. Die zukünftigen Besitzer werden natürlich informiert.
Teil 2
Zum Thema „Mittelmeerkrankheiten“:
Immer wieder wird davor gewarnt, Hunde aus Süd- und Osteuropa ohne Tests auf Mittelmeerkrankheiten zu übernehmen, selbst wenn die abgebende Organisation versichert, dass es diese Krankheit im Einzugsgebiet nicht gibt.
Unsere Meinung dazu: Man kann Osteuropa nicht pauschal sehen: Im Beispiel Rumänien besteht ein riesiger klimatischer Unterschied zwischen dem heissen Süden und Südosten (Banat, Walachei und Dobrogea) und der Schwarzmeerküste und den alpinen Karpaten. Ditrău liegt in einem Becken zwischen den Äußeren und Inneren Ostkarpaten auf einer Höhe von rund 900m m. Die umliegenden Berge erreichen bis zu 2300 m. Das Klima ist extrem kalt im Winter (bis zu – 40°C) und gemäßigt warm im Sommer. Tagsüber kann es an sonnigen Tagen schon mal 30°C werden, aber die Nächte sind immer kühl, d.h. unter 20°C. Die die Mittelmeerkrankheiten verursachenden Parasiten können hier nicht überleben (In Bukarest oder Timisoara beispielsweise kann das schon ganz anders sein!)
Leishmaniose: Die Übertragung erfolgt durch Sandmücken „Mit dem ersten Auftreten von Sandmücken ist dann zu rechnen, wenn die niedrigste Nachttemperatur drei Nächte in Folge 20° C erreicht. Diese klimatischen Bedingungen werden etwa Mitte Mai in Süd-Frankreich, Nord-Italien, Nord-Spanien, Portugal, gesamt Ex-Jugoslawien und Nord-Griechenland erreicht. …“ (Quelle und weitere Information: bei Parasitus-Ex)
Ehrlichiose, Babesiose, Hepatozoonose werden durch die braune Hundszecke verbreitet: „Die braune Hundezecke ist ab Zentralfrankreich südwärts in allen europäischen Mittelmeerländern einschließlich Portugal zu finden. Je weiter man in den Süden fährt, desto häufiger kommt die braune Hundezecke vor, dann meist sogar ganzjährig. Rhipicephalus ist im Gegensatz zu vielen anderen Zeckenarten nicht von hoher Luftfeuchte abhängig, sondern wird um so agiler, je trockener und wärmer es ist. In Deutschland fühlt sich diese Zeckenart als “Urlaubsmitbringsel” in beheizten Räumen sehr wohl. Auch wird die braune Hundezecke in deutschen Tierheimen und Hochhauskomplexen immer häufiger angetroffen.“ Quelle: Parasitus-Ex
Dirofilariose = Herzwurmerkrankung „Besonders stark betroffene Länder sind die Inseln des Kanarischen Archipels, Südfrankreich, Spanien, sowie die italienische Po Ebene. Auch in Valencia, Murcia und Andalusien kommt diese Krankheit vor. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist sie eine Seuche grössten Ausmaßes und hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasch verbreitet. Die Dirofilariose wird von einem Hund auf den anderen nur durch bestimmte Moskitoarten (Stechmücken) übertragen. … Das modernste Schutzverfahren gegen Filariosis besteht aus der monatlichen Verabreichung von IVERMECTIN oder MILBEMYCIN-Produkten, die speziell für Hunde gedacht sind.“
Quelle: Tierkardiologie.LMU
Alle Angaben ohne Gewähr!
Wir haben inzwischen deutlich mehr als 250 Hunde vermittelt. Bei etlichen wurden durch eifrige Tierärzte die teueren Tests auf Mittelmeerkrankheiten durchgeführt. Bis zum heutigen Tag (Juni 2023) wurde kein einziger Hund positiv getestet.
Teil 3
Was gibt es sonst noch zur Gesundheitsvorsorge und Behandlung in Rumänien zu sagen?
Zuerst einmal muss man feststellen, dass Tierärzte in Rumänien eine ganz andere Ausbildung durchlaufen als wir das hier kennen: Veterinäre kümmern sich vor allem ums Vieh, also Rinder, Schweine, Pferde, manchmal auch um Schafe oder Ziegen. Hunde und Katzen oder gar Ziervögel stehen nicht auf dem Lehrplan. Daher sind Kleintierpraxen, wie wir sie kennen, vielleicht in der Hauptstadt oder in einigen wenigen Großstädten zu finden. Der Ausbildungsberuf „Tiermedizinische Fachangestellte“ ist dort höchstwahrscheinlich unbekannt. Tierheilpraxen oder gar Physiotherapie für Hunde sind unvorstellbar, da es sie ja kaum für Menschen gibt! Seit 2010 mussten wir leider immer wieder erleben, welche Schäden einige Tierärzte aus Unkenntnis oder Desinteresse bei den Hunden angerichtet haben.
Zum Glück haben wir in Ditrău einen zuverlässigen und erfahrenen Tierarzt, der sich im Bereich Kleintiermedizin in Westeuropa fortgebildet hat. Seine kleine Praxis ist täglich von 17 bis 19 Uhr geöffnet, den Rest des Tages fährt er über Land zu den Bauern oder führt langwierige Operationen durch. Wir konnten ihn mehrfach dabei beobachten und haben den Eindruck, dass er sehr sauber und routiniert arbeitet. Leider ist es oft schwierig, ihn in einem Notfall zu erreichen. Bei Kastrationen arbeitet er minimalinvasiv, das heisst, er macht nur einen möglichst kleinen Schnitt, um z. B. kurzzeitig eingefangene Straßenhunden nach einer kurzen Zeit wieder entlassen zu können. Wir sind froh, dass er immer bereit ist, unsere Hunde auf Rechnung zu untersuchen und behandeln. Das Geld dafür überweisen wir nach Rechnungsstellung.
An Wochenenden ist er leider nicht zu erreichen. Inzwischen haben wir einen zweiten Tierarzt, der auch in Notfällen am Wochenende zu erreichen ist.
Für schwierige oder spezielle Fälle fahren wir in eine Kleintierklinik nach Miercurea Ciuc. Der hervorragend ausgebildete Tierarzt hat an Universitätskliniken in Österreich gearbeitet, bevor er sich “in der Heimat” selbstständig gemacht hat.
Immer wieder jedoch entdecken wir in den Zwingern Hunde mit unbehandelten Verletzungen, Bisswunden, Zahnabszessen oder verwundeten Pfoten. Oft geschieht erst etwas, wenn wir darauf aufmerksam machen. Vorher wird das ignoriert, getreu dem Motto: Wird schon nicht so schlimm sein, und was von selber kommt, geht auch wieder…
Erstaunlich ist jedoch, was unsere Hunde dort wegstecken und überleben. Sie haben ungeheure Selbstheilungskräfte und einen ungebrochenen Überlebenswillen, der sie mit manchen Wunden und Infektionen fertig werden lässt, die wir uns hier kaum vorstellen können. Aber wenn es irgendwie möglich ist, nehmen wir schwer verletzte oder frisch operierte Hunde, die ausreichend geimpft sind, mit nach Deutschland. Das sind nur einige Gedanken zur Hundegesundheit in einem Land, in dem das Dasein eines Hundes sehr oft auf wenige Worte reduziert werden kann: „Ein Hund der nicht bellt, taugt nichts, und so lange er frisst, ist alles in Ordnung mit ihm.“ Vor allem den 2. Teil dieses Satzes haben wir in unserem Tierheim mehrfach gehört.
Wir sind nun seit mehr als zehn Jahren dort tätig und kämpfen gegen “jahrhunderte alte” Ansichten an.
Manchmal ist es der berühmte Kampf gegen Windmühlen. Nur ganz behutsam und allmählich können wir dem etwas dagegensetzen. Gerade das Thema „Wundbehandlung“ ist immer wieder enorm wichtig ist. Umschläge, Verbände müssen täglich erneuert werden, infizierte Hunde dürfen nicht draussen herumlaufen und im Dreck spielen …. All das ist sehr sehr schwer zu vermitteln, es sind doch schließlich nur Hunde, und Hunde gehören in Rumänien nun mal nicht in ein Haus. Und sie müssen sehen, wie sie klar kommen. Damit solche Behandlungen konsequent durchgeführt werden können, nehmen wir häufig das notwendige Material und diverse Medikamente zur Wundbehandlung mit nach Rumänien. Vor Ort ist nach wie vor nicht alles zu bekommen.
Wir sind glücklich, dass immer genug Spendengelder dafür zur Verfügung stehen, um hier die benötigten Vorräte einzukaufen. Sehr vieles wird auch direkt als Sachspende an uns geschickt.