Tagebuch von Werner Alex, Gheorgheni 17. bis 25. Oktober 2013

Vorwort:

Ich wollte gar kein Vorwort schreiben, aber weil viele es vielleicht interessieren wird, ob wir bei uns in Gheorgheni eine ähnliche Situation wie die in Bukarest vorfanden, möchte ich an dieser Stelle Entwarnung geben. Nein, wir haben keine grausam getöteten oder sonst wie misshandelten Hunde gesehen. Wir haben in der ganzen Zeit unserer Anwesenheit nur einen einzigen toten Hund am Straßenrand liegen sehen. Ich habe ihn mir genau angesehen, um mich davon zu überzeugen, dass er tot ist oder ob man noch helfen kann. Er war tot. Es waren keine äußerlichen Verletzungen erkennbar. Da wir nicht dabei waren als er starb, ist es im Nachhinein schwer zu sagen, wie er zu Tode gekommen ist.

1. Tag – Donnerstag – 17.10.

Heute ist mein 1. Tag hier in Rumänien, der erste von 9 Tagen (den letzten Tag zähle ich nicht, da wir schon frühmorgens um 2:15 aufstehen mussten). Wir sind hier gelandet in Tirgu Mures. Draußen am Flughafengebäude steht „Transilvania Airport“, klingt für mich ein wenig nach Dracula. Den Gedanken an den blutrünstigen Vampir kann man haben, ich werde den jetzt aber nicht weiterspinnen. Ich bin hier mit Ingrid, Barbara und Sabine, wir bilden das Team, das als Karpatenstreuner hier ist. Wir werden noch Unterstützung bekommen vom Kastra-Team, das aus dem Tierarzt Razvan und seinen beiden Helfern Janos und Norbert besteht. Janos wird mit Helfern unterwegs sein, die Hunde einzufangen und Norbi assistiert Razvan, indem er die eingefangenen Hunde für die OP vobereitet (OP-Stelle frei rasieren und Spritzen geben) und zu guter Letzt noch Agota, die die „fertigen“ Hunde katalogisiert.

Nachdem wir unseren Mietwagen in Empfang genommen haben, sind wir gute 2 Stunden unterwegs gewesen, bis wir in unserer Unterkunft angekommen sind. Da haben wir nur kurz eingecheckt um uns dann per Auto direkt auf den Weg zum Tierheim zu machen. Bei unserer Ankunft gab es von den Hunden erstmal ein großes „Hallo“ in Form von heftiger Bellerei. Mein persönlicher Eindruck in diesem Moment war, dass die Hunde wohl nicht so oft Menschen sehen, die sie besuchen kommen. Schon an der Eingangspforte zum Tierheim-Gelände steckte zur Begrüßung jemand neugierig seine Hundeschnauze durch ein Loch, durch das man von außen nach innen durchgreifen musste, um per Sperrriegel das Tor zu öffnen. Ich habe dann als erste Diensthandlung erstmal von außen dieses neugierige Etwas begrüßt. Dann sind wir also rauf auf‘s Gelände. Das Gelände ist aufgeteilt in mehrere Bereiche, die entweder Ausläufe sind oder aber mehrere Zwinger in Reihe, die zum Teil parallel angeordnet sind. Der Gang dazwischen wird dann für die Zeit der Zwingerreinigung auch als kleinerer Freilauf genutzt. In diesen Zwingern befinden sich dann so ca. 6-9 Hunde, bestmöglich so zusammen untergebracht, dass sie zueinander passen. In jedem dieser Zwinger stehen dann auch Hundehütten, die aber teilweise schon ziemlich desolat aussehen. Da müssen unbedingt neue her. Aber deswegen bin ich ja hier. Ich bin dann mit den anderen 3 (menschlichen) Karpatenstreunern im Tierheim-Gelände unterwegs gewesen, lange. Da wo es ging bin ich zu den Hunden rein in den Zwinger. Überall wo wir auftauchten sprangen die Hunde wie wild hin an den Zaun, der ihren Lebensraum begrenzt, scheinbar um uns zu begrüßen. Viele Hunde liefen einfach so in „ihrem“ Freilauf umher, einige waren scheu und ließen sich nicht einfach anfassen, aber aggressiv war keiner. Es waren mir völlig fremde Hunde, die ich streicheln konnte. Ich hatte Hand oder Arm teilweise in der Schnauze der Hunde und nicht einer hat mir auch nur einen Kratzer zugefügt. Diese Hunde wollte nur eines: „Berührungen“. Sie wollten mal angefasst werden und spüren wie das ist, wenn ein Mensch sich kümmert – um einen Hund. Es ist mir schon schwer gefallen, da durch zu gehen und irgendeinen Hund nicht zu streicheln. Diese Begrüßung aller Hunde, wenn sie bellend am Zaun stehen, war schon ein Highlight an sich.

Es gibt da große und kleine Hunde, die alle, jeder auf seine Art, liebenswürdig sind. Der eine durch Zurückhaltung, der nächste durch seine Neugier und wieder ein anderer durch seine Aufdringlichkeit, seine Liebe und Zuneigung zu verschenken. Es waren auch, wenn auch nur wenige, einige Hunde dabei, die sich ängstlich zurückzogen in ihre Hütte und da dann teilweise zu dritt ganz eng aneinander gekauert da saßen. Da drinnen fühlten sie sich wohl sicher. Ich habe mich dann vor die Hütte gesetzt, teilweise gelegt, und bin dann mal mit der Hand rein in die Hütte. Sie haben nicht nach der Hand geschnappt oder sind zurück gewichen. Ich glaube, ihre Angst vor den Menschen ist so groß, dass sie noch nicht einmal dazu in der Lage waren zu beißen. Aber es gibt auch die anderen, die nach Berührung und Zuwendung gieren. Davon habe ich heute einige erlebt (erleben dürfen). Es mag nicht jedem Menschen so gehen wie mir, aber ich bin von vielen Hunden gewaschen worden und ich habe es genossen. Für mich ist das nämlich eine Art der Freundschaftsbekundung (Nein, man stirbt davon nicht). Meistens ist es so, wenn Mensch sich entscheidet, einen Hund bei sich aufzunehmen, dann geht er hin (wohin auch immer) und sucht sich den passenden Hund aus. Es geht aber auch andersrum: der Mensch geht hin (ins Tierheim Gheorgheni) und dann kommt irgendwann ein Hund und sagt: „das ist mein Mensch, den hab ich lieb, bei dem möchte ich bleiben“. Wie sieht sowas aus? Der Hund kommt, springt dich an (mit den Vorderpfoten auf meiner Schulter), leckt dich ab (gründliche Wäsche), kuschelt dich in Grund und Boden und lässt nicht nach, du bist sein Mensch. Was macht man da als Mensch? Ich bin noch am Grübeln. Das war übrigens „Effi black-nose“. Von der Optik her, könnte vielleicht ein Golden Retriever mit drinnen stecken (kann mich aber auch täuschen, bin da sicher nicht der Fachmann für). Und sie ist unglaublich lieb aber auch ein Powerpaket. Ich weiß nicht, ob ich für Effi etwas Besonderes an mir hatte, aber ich könnte mir vorstellen, dass Effi jedem neuen Herrchen/Frauchen ein Traumhund sein könnte. Manchmal wünschte ich mir, Lotta & Gelo würden mich so vereinnahmen. Ich bin mal gespannt, was die nächsten Tage so bringen. In einem anderen Zwinger war auch ein ähnlicher Hund wie Effi, auch helles Fell, aber schon älter und wohl auch nicht mehr ganz gesund. Barbara würde sich so sehr für Merlin wünschen, dass er seine vielleicht noch 2 Jahre, die ihm vielleicht noch bleiben, bei Menschen, die ihn lieben, verbringen kann. Auch mir Merlin habe ich lange geschmust und er wollte nicht mehr aus meinem Arm. Irgendwie habe ich heute an meinem 1. Tag den Eindruck, dass helle Hunde (Retriever?) mich wohl besonders mögen. Irgendwann war dann unser Tag da rum. Es fing an zu dämmern und es wurde auch kühler. Wir machten uns mit dem Auto auf dem Weg in die Stadt weil wir für uns noch ein paar Getränke besorgen wollten. Und dann habe ich das gesehen, wovor ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe und hoffte, dass es nicht passiert: Da lag auf dem schmalen Grünstreifen, der Gehweg und Fahrbahn trennt, ein Hund – bewegungslos. Wir hielten an und ich stieg aus. Ich ging auf den sich nicht bewegenden Hund zu und sah in seine nicht weit geöffneten blauen Augen. Mit Handwinken vor seinen Augen wollte ich versuchen, eine Reaktion des Hundes zu bekommen – Nichts. Dann habe ich ihn angefasst – Nichts. Die Leichenstarre war schon angefangen. Ich vermute, dass der Hund schon 2-3 Tage tot war. Wie der Hund zu Tode gekommen ist, weiß ich nicht, aber er schien keine sichtbaren äußeren Verletzungen zu haben. Aber was ich nicht kapiere ist, mit welcher Gleichgültigkeit die Menschen an einem toten Tier am Straßenrand vorbeigehen. Mit diesen Gefühlen gehe heute Nacht schlafen.

Gute Nacht

2. Tag – Freitag – 18.10.

Heute ist der 2. Tag. Und leider konnten wir immer noch nicht beginnen mit dem Bau der Hundehütten. Das benötigte Holz war noch nicht angeliefert worden, obwohl schon längst bezahlt. Aber untätig rumsitzen wollte ich auch nicht. Wir sind erstmal wieder rein ins Tierheim und haben `ne große Kuschelrunde gestartet. Die Hunde gieren total danach. Ich hab`s heute so gehalten, dass ich nicht mit vielen Hunden gekuschelt habe. Ich halte nichts davon, jedem Hund 2-3 Mal das Fell und über den Kopf zu streicheln und dann zum nächsten überzugehen. Das bringt`s nicht, dann kann man es auch gleich bleiben lassen. Nein, ich habe heute nur 3 Hunde zwangsbekuschelt, das aber ausgiebig lange. Ich glaube jeder meiner „Opfer“ musste ca. 45-60 Minuten Powerkuscheln über sich ergehen lassen. Keiner hat mir ein Zeichen gegeben, aus dem ich hätte entnehmen können, dass es jetzt reicht. Ich hatte mir meine Kandidaten aus dem Zwinger herausgeholt und dann haben wir uns in den kleinen Freilauf davor gelegt. Da waren wir ungestört. Hunde, die sonst im Zwingerrudel wild hin und her springen, sind hier draußen im Freilauf ganz anders.

Völlig relaxt lag Effi neben mir, platzierte ihre Vorderläufe auf meinen Beinen (ich saß ja auch auf dem Fußboden) und hat mich einfach glücklich sein lassen. Ich hatte es glaube ich schon geschrieben, ich würde mir manchmal wünschen, meine eigenen Hunde würden so mit mir kuscheln wollen (aber die müssen ja auch nicht mehr um mich buhlen). Ja, es ist so, ich habe mein Herz an Effi verloren. Aber wie Männer nun mal so sind, gehört mein Herz nicht nur einer Schönheit alleine. Ich musste mich wirklich überwinden, Effi wieder zurück in ihren Zwinger zu bringen. Und nachdem ich das geschafft hatte, ging ich dann zu meinem nächsten Traumhund:

Blacky ist gar nicht schwarz, sondern sieht von der Fellfarbe einem Dobermann ein wenig ähnlich, aber egal. Mit Blacky hatte ich eigentlich vor, ihr ein Geschirr anzulegen und dann mit ihr draußen, außerhalb des Tierheim-Geländes einen kleinen Spaziergang zu machen von ca. 20-30 Minuten. Das Anlegen des Geschirrs klappte problemlos. Und das ist dann aber schon etwas Besonderes, denn man muss bedenken, dass hier rumänische Straßenhunde sitzen, die vorher in ihrem ganzen Leben vermutlich noch niemals eine Leine oder Geschirr kannten. Meine Vorstellung war, dass Blacky sich freuen würde, mal aus dem Zwinger raus zu können und mal sehen was kommt.. Aber ich hatte schon Mühe, Blacky aus dem Zwinger heraus zu bitten, also habe ich etwas nach geholfen, sie auf den Arm genommen und dann draußen auf den Gang gesetzt, der uns nun ganz alleine gehörte. Da saß sie nun, die Blacky, und dann ich. Blacky wollte sich da nicht fortbewegen, und zwingen wollte ich sie auch nicht. Ich denke, da muss man ganz behutsam vorgehen. Nun ja, der Spaziergang hat nicht stattgefunden. Als willkommenen Ersatz gab`s dann? ……..genau: Powerkuscheln! Hat uns beiden, glaube ich, gut gefallen, mir auf alle Fälle und ich denke, Blacky hat`s auch genossen.

Eine zweite Aufgabe, die ich mir für heute vorgenommen hatte, war, bei einigen Hunden, die es ziemlich nötig hatten, Fellpflege zu betreiben, also mit so `ner Drahtbürste durchs Fell und den Hund dann mal von Flöhen und verfilztem Fell befreien. Nötig haben es eigentlich einige, aber es gibt ein paar, die brauchen es nötiger als andere. So einer war auch im Zwinger in dem auch Blacky lebt: Razka. Keine Ahnung, was für ein Teil das ist, aber der hat Fell für vier und ich kann euch sagen, er liebte, was ich mit ihm machte. Den Razka hatte ich wohl auch so knapp 45 min beharkt (trifft es wohl ganz gut). Ich hatte da `ne Menge Fell raus gekämmt, aber dünner wirkte es deshalb nicht, eher zufrieden und er hatte nur noch Fell für 3. Während dieser ganzen Aktion mit der Fellpflege bei Razka kam immer wieder Blacky dazu und wollte ihre Streicheleinheiten (die sie auch bekam). Sie brachte ihren Kopf immer wieder zwischen meinen Körper und den jetzt nur noch 2,5-fach Razka und starrte mir in die Augen, so dass ich nicht widerstehen konnte und mich kurz mit ihr befasste. Aber auch hier war irgendwann Schluß. Ich hatte noch einen dritten Hund, um den ich mich heute ausgiebig, wie schon vorher, kümmern wollte.

Merlin, bei dem ich auch schon gestern war hat auch ein dichtes Fell, nicht aber so dolle wie bei Razka (den schafft keiner). Und das bedurfte ebenfalls unbedingt einer ausgiebigen Pflege. Merlin, wie übrigens auch alle anderen Hunde, sind erstmal immer zurück gewichen, wenn ich die Drahtbürste gezückt habe. Normal, sowas kennt ein wild lebender Hund natürlich nicht und die wenigen Leute im Tierheim haben keine Zeit, den Hunden die eigentlich notwendige Hilfe angedeihen zu lassen. Aber egal, für heute war das mein Job. Merlin ist ein Genießer vor dem Herrn. Und wenn ich mal kurz unkonzentriert war und versehentlich mal kurz einem anderen Hund das Fell gebürstet hatte, dann hat Merlin wieder meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit eingefordert. Irgendwann musste ich mich dann fast gewaltsam aus seiner Inanspruchnahme lösen. Ich hatte jetzt fast 3 Stunden, mit ganz geringen Unterbrechungen, mit nur 3-4 Hunden verbracht. Aber wir alle, einschließlich ich, haben es richtig genossen.

Bis hierhin war der Tag schön. Eigentlich war ich schon fast so weit, den Tag hier auf dem Tierheim-Gelände ausklingen zu lassen. Barbara fragte mich, ob ich eigentlich schon mal einen Blick auf das Nachbar-Grundstück geworfen habe. Dieses Nachbar-Grundstück gehört nicht zu dem Tierheim, das wir betreuen. Es gehört einer Privat-Person, Gab…. Ach Namen sind egal. Auf dem Grundstück vegetieren über 50 Hunde. „Vegetieren“ ist hier noch sehr human ausgedrückt. Ich habe einen Blick über den trennenden Holzzaun geworfen, und was ich da gesehen habe, hat fast mein Herz still stehen lassen. Hunde an sehr kurzen Ketten, eine Kette wohl so kurz, dass der angekettete Hund gerade noch auf seine Hütte springen kann, mehr aber nicht . Und ein anderer heller Hund, der erbärmlich abgemagert in einem ca. 3-4 qm großen, vermutlich mehrere Zentimeter tiefen Scheißehaufen stand, total apathisch. Er stand da und schaute in meine Richtung ohne irgendeine Regung. Seine weiße Schnauze war dreckig-dunkel, weil er wohl versuchte in seinem Scheißhaufen nach Futter zu suchen, was er aber nicht fand. Ich konnte das alles gar nicht fassen. Dagegen leben unsere Hunde dort wie im Paradies. Ich habe mich erstmal abgewendet. Ich musste das erstmal sacken lassen. In der Zwischenzeit war auch Sabine an den Zaun gekommen. Nach kurzer Zeit stand da ein Häufchen Elend am Zaun und weinte ganz fürchterlich. Sabine hat der Anblick sofort umgehauen. Ich habe sie in den Arm genommen und versucht, sie zu trösten. Dabei war ich dann wieder so nahe am Zaun, dass ich dieses Bild, das sich mir da bot, ein zweites Mal angetan habe. Und dann fing ich an zu weinen. Der helle Hund stand noch genauso da, wie vor wenigen Minuten, als ich mich das erste Mal weg gedreht habe. Immer noch apathisch, leerer Blick, ein Hund, der sich selbst aufgegeben zu haben scheint, weil er von anderen aufgegeben wurde. Ich habe geweint, wie schon lange nicht mehr. Diesmal hat Ingrid mich in den Arm genommen und mir Trost gespendet. Danke Ingrid. Tja, und nun überlegen wir, wie wir den Hund irgendwie retten können. Dass wir ihm helfen, steht außer Frage, da sind wir 4 uns einig. Das ist Tierschutz.

Mein Tag fing toll an und hat ein beschissenes Ende gefunden.

Gute Nacht

3. Tag – Samstag – 19.10.

Also, um das Gute gleich mal vorweg zu nehmen: mein heutiger Tag hat nicht so beschissen geendet wie die letzten zwei Tage. Was waren die Highlights des heutigen Tages?
Nach dem Frühstück, das wir immer bei Barbara auf dem Zimmer einnehmen, sind wir erstmal losgefahren um noch ein wenig fehlendes Material zu besorgen. Wir waren die Tage vorher auch immer schon vor unserem Tierheim-Besuch durch die Ortschaft gefahren, um Dinge zu besorgen. Auf diesen Fahrten hatten wir schon diverse rumstreunende Hunde gesehen, auch andere, die aber offensichtlich auf Firmengelände rumliefen. Diese Gegenden hatten wir uns gemerkt. Denn eine wichtige Hauptaufgabe unserer Aktion war es ja, Streuner einzufangen, sie zu kastrieren und dann bei uns im Tierheim unterzubringen. Aber gemacht haben wir erstmal noch nichts.

Heute aber war ein Glückstag. Auf dem Weg zum Tierheim hielten wir an, weil uns auf unsrer Straßenseite ein Hund langsam schlendernd entgegen kam. Als wir nur noch 4-5 Meter entfernt waren, konnte man sehen, dass sie (es war eine Hündin) ein doch deutlich ausgeprägtes Gesäuge hat, also wird sie vermutlich auch Welpen haben. Ich habe meinen gesamten Vorrat an Hunde-Leckerlis, den ich mit hatte (wegen einer in Hamburg entlaufenen Hündin, Luna, ist aber ´ne andere Geschichte) der Hundemama hin geschmissen, was sie dann auch hastig verschlang (die hatte bestimmt schon lange nichts mehr gefuttert und schon gar keine Leckerlis). Die Streuner haben’s essenstechnisch echt nicht gut, wie überall auf der Welt. Wir haben sie natürlich nicht mitgenommen (passiert vielleicht noch, wenn wir ihre Welpen, hoffentlich alle, auch finden). Nur wenige 100 Meter weiter kam uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein kleiner Welpe entgegen, wohl nicht älter als 4-5 Monate. Der war so, daß man ihn/sie einfach einpacken konnte, rauf auf`m Arm, rein ins Auto und weg zum Tierheim. Sabine hatte sie (Geschlecht wurde von uns noch im Auto der weiblichen Art zugeordnet) auf den Arm und war zum ersten Mal seit gestern wieder richtig glücklich. Ich habe ihr den Namen „Ronja“gegeben, der dann von den anderen auch akzeptiert wurde. Die Kleine ist so unglaublich süß, ich werde auf alle Fälle für sie die Werbetrommel rühren. Die gehört da nicht ins Tierheim (und auf die Straße sowieso nicht), die gehört zu Menschen, die Hunde lieben. Sie ist dann in unserem Gebäude, in dem in den nächsten Tagen die Kastrationen stattfinden sollen, erstmal grundversorgt worden mit Entflohungs-Tinktur, sie bekommt noch Spritzen und alles, was notwendig ist, um einen Straßenhund vorzubereiten auf ein neues Leben fernab der Straße. Sie macht keinen ängstlichen Eindruck, eher einen sehr ruhigen. Vielleicht die Umstellung auf ihre neue Lebenssituation. Wir werden sie in den nächsten Tagen noch weiter beobachten können. Das war für mich meine erste große, wichtige Tat. Und ich fühlte mich gut dabei.

Jetzt wollte ich mich dem zuwenden, weswegen ich ja auch hier war. Gestern wurde das Holz geliefert, worauf wir 2 Tage gewartet hatten und so konnte ich heute endlich beginnen, wofür ich doch eigentlich nach Rumänien gekommen war, mit dem Bau der Hundehütten. Ich hate heute nur eine wirklich kurze Runde durch‘s Tierheim-Gelände gemacht, weil, so ganz ohne Hunde zu knuddeln, geht nun irgendwie gar nicht. Ich will jetzt hier nicht jeden einzelnen Arbeitsschritt wiedergeben, weil das wäre selbst für die Laien, die auch am Aufbau einer Hundehütte interessiert sind, total langweilig, also, lass ich`s lieber. Was mir aufgefallen war, ist, dass ich über den ganzen Tag zwischendurch und immer mal wieder damit beschäftigt war, einen von meinen beiden Arbeitshandschuhen im Freilauf des Tierheims zu suchen. Immer, wenn ich mal einen ausgezogen hatte, weil der mich beim Arbeiten störte und ihn irgendwo auf dem Boden abgelegt hatte, war er kurze Zeit später weg. Das Hunde-Vollpfosten-Pack hat sich einen Jux daraus gemacht, mir meinen Arbeitshandschuh zu klauen, um sich dann irgendwo im Gelände hinzulegen und genüsslich darauf herum zu kauen. Sah bestimmt witzig aus, wenn ich bei der Suche nach meinem Handschuh, mit dem halben Oberkörper auch in diversen Hundehütten gesteckt habe. Ich habe heute meine 1. Hütte ca. zu 80% fertig gekriegt (keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass ich vorher sowas noch nicht gebaut habe). Es fehlen jetzt nur noch der Dachdeckel und die Frontseite mit den Eingangslöchern.

Gute Nacht.

4. Tag – Sonntag – 20.10.

Heute war ein fast normaler Tag, so wie sich ein Norddeutscher Tierliebhaber, unterwegs in Rumänien, einen normalen Tag vorstellt. Keine besonderen Highlights, nichts Auffälliges oder Besonders Positives, ebenso nichts Negatives. Doch, Mensch, das hätte ich beinahe vergessen. Wir waren heute (weil Sonntag) nicht unterwegs in die Ortschaft, sondern direkt auf dem Weg ins Tierheim. Aber schon nach wenigen Metern, nahe unseres Hotels, hatte Ingrid sich einem Rüden zugewandt. Ich sah nur, wie sie nieder kniend, den Hund im Arm haltend, beruhigend auf ihn eingesprochen hat. Wir, der Rest, haben uns in einiger Entfernung zu den Beiden aufgehalten, damit keine stressige Situation für den Hund entsteht. Dann hat Ingrid ihn auf den Arm genommen und ihn ins Auto gesetzt. “Er”, einen Namen haben wir noch nicht, saß bei uns auf der Rückbank zwischen Sabine und mir. Bis zu unserer “Krankenstation” war es nicht mehr weit und bis dahin ist “Er” ganz ruhig geblieben (das hat sich auch im Laufe des Tages nicht mehr geändert). Wie auch schon bei unserem 1. Fundhund “Ronja” wurde auch “Er” erstmal grundversorgt, SchnippSchnapp – Eier ab kommt später! Ich muss schon sagen, ich finde es bemerkenswert, wenn nicht sogar erstaunlich, dass sowohl Ronja als auch “Er” völlig ruhig sind, die ganze Zeit. Ich denke, so ein Hund, egal wie alt, “Er” ist sicher älter als Ronja, merkt es auch, dass sich seine Situation ab jetzt grundlegend geändert hat, und reagiert dann irgendwie. Ich weiß jetzt nicht, ob es ihre Hilflosigkeit ist, in eine neue Lebenssituation gebracht worden zu sein und da alleine nicht mehr heraus zu kommen, oder vielleicht etwas anderes. Die Hunde wissen’s nicht aber wir wissen es, ein neues Leben beginnt, ein besseres, und ich hoffe und wünsche es mir sehr, dass viele von den Neuzugängen, Ronja, “Er”, und alle, die in den nächsten Tagen noch dazu kommen werden und natürlich auch die “Altbestände” der Karpatenstreuner, hoffentlich bald zu Tierlieben Menschen vermittelt werden können, verdient haben’s wirklich alle.

Über meine Hüttenbau-Aktion muss ich (zumindest heute) auch nichts Weiteres von mir geben, ist ja eh immer das gleiche, Bretter vermessen, aussägen, zusammennageln, fertig. Na ja, fast. Meine erste Hütte ist immer noch nicht ganz fertig. Ist halt meine erste Hütte und ich hatte vorher keine Ahnung wie groß der zeitliche Aufwand ist, sowas zusammen zu zimmern. Doch, ein Highlight hatte ich, ein schmerzliches, deshalb gehört es in die Kategorie “schmerzhafte Erfahrungen”: ich habe einmal daneben gehämmert und nicht schnell genug meinen linken Mittelfinger außer Reichweite bringen können. Das hat böse “Aua” gemacht, aber ich lebe noch, und mein “böser Mittelfinger” ist zurzeit für bestimmte eindeutige Gesten nicht mehr zu gebrauchen, bleibt aber trotzdem dran (an der Hand). Bis zum frühen Abend habe ich noch an meiner Hütte rumgezimmert (ich hoffe ja, dass ich in der ganzen Zeit, die ich hier bin, mehr als nur eine Hütte gebaut kriege). Während des Tages habe ich immer mal kurze Pausen eingelegt, um mit meinen Hunden, meinen Lieblingen (es gibt viele mittlerweile), mal ‘nen Moment zusammen zu sein. Ich brauche das einfach. Darum könnt ihr mich echt beneiden. Irgendwann habe ich dann Bleistift, Hammer und Säge zur Seite gepackt und bin dann, quasi als Abschluss des Tages, nochmals für jeweils knapp 15 Minuten in zwei Zwinger rein, in denen nur Welpen (auch mit Mama) waren. Die sehen einfach, süß beschreibt es nicht treffend genug, unglaublich aus, aber das sind Welpen ja immer, nicht nur die in Rumänien. Wie die einen umgarnen und dann anhimmeln, das muss man erlebt haben, das hebt einen auf eine Wolke, soll heißen, ein sehr erhebendes Gefühl. Wie auch sonst immer, ich habe diese Zeit genossen. Ich will zusehen, dass ich mir in den nächsten Tagen einfach mehr Zeit für die Hunde nehme, die brauchen das … und ich auch.

Morgen soll’s losgehen mit der Kastra-Aktion. Der Tierarzt (Razvan) ist heute Abend gekommen und hat sein “Werkzeug” schon mal bereit gelegt im “Krankenzimmer” in dem morgen die Hunde kastriert werden sollen. Nun ist der Tag aber zu Ende.

Meine Schreiberei für heute ist getan und ich sage: Gute Nacht

5. Tag – Montag – 21.10.

Heute war ein, ja sagen wir mal, ein unspektakulärer Tag, für mich, nicht für die Hunde. Für die, die unserer heutigen Kastra-Aktion die Hauptrolle spielen sollen wird dieser Tag sicher sehr bedeutungsvoll sein. Den Rüden werden heute die sowieso störenden Eier abgenommen, was bei den Mädels im Detail passiert, weiß ich nicht genau, egal, nur das Ergebnis zählt. Um das Ergebnis mal gleich vorweg zu nehmen, der Vet. hat an seinem 1. Arbeitstag bei uns 26 Hunden zu einer anderen Lebenseinstellung verholfen und ihnen durch den kleinen Eingriff in ihr Leben dazu verholfen, aktiv an der Dezimierung der Straßenhunde-Population teilzuhaben. Die nach ihrer Kastrierung zu uns ins Tierheim dürfen, haben zwangsweise schon mal einen ersten großen Schritt in ein besseres Leben gemacht. Ich glaube, als Hund auf der Straße leben zu müssen, täglich einen Kampf führen um das lebenswichtige Futter, das oftmals aus dem Müllcontainer kommt, Futter für sich selbst und sehr oft auch für die eigenen Welpen ist die schlechteste Alternative. Stellt euch vor, ihr müsstet euer menschliches Baby aus den Resten, die sich im Müllcontainer finden lassen, ernähren, tagein, tagaus, bis sie sich selbst aus der Mülltonne versorgen können. Nein, das will keiner, nicht einmal die Hunde, aber die Straßenhunde (auf der ganzen Welt) haben leider keine Wahl. Im Tierheim geht es ihnen vergleichsweise gut. Sie bekommen täglich ihr Futter, werden bei Krankheit versorgt und sie haben ihre trockenen Unterkünfte. Natürlich ist so eine Unterkunft nicht super komfortabel, aber immerhin noch besser als auf der Straße in einem Gebüsch oder in einem Kellerniedergang zu schlafen. Was in einem Tierheim sicher auch viel zu kurz kommt, ist der persönliche Kontakt zwischen Hund und TH-Mitarbeiter. Bei mehr als 170 Hunden kann man leider nicht jedem Hund die Zuwendung geben, die er braucht und auch verdient hat. Aber dafür bin ich ja jetzt da. Ich knuddel was geht, aber auch ich schaffe nicht alle Hunde, da bleiben leider immer welche auf der Strecke. Ich habe so meine Favoriten, zu denen ich besonders gerne hingehe. Darunter sind auch ein paar junge Welpen. Wenn ich mich zu denen in den Zwinger setze, dauert es nur wenige Millisekunden bis 3-4 von ihnen mich zu belagern, hochspringen, Küsschen geben, mich ablecken. Für mich kann das nur heißen: “ich hab’ dich lieb, bitte bring mich hier raus, ich will hier nicht bleiben, vergiss mich nicht, bitte fahre nicht ohne mich”. Solange ich noch für ein paar Tage hier bin, kann ich noch ganz gut damit umgehen. Aber mir graut vor dem Tag, wenn ich wieder nach Hause fahre, ohne all meine lieben Freunde. Aber ich habe mir vorgenommen, für ein paar von ihnen hier auf Facebook (FB) Werbung zu machen. Es sind so unglaublich liebe Wesen, null aggressiv. Ach, wenn ich doch nur könnte wie ich will. Ich kann euch nur sagen, wenn ihr nur im Entferntesten daran denkt, euch einen Hund anzuschaffen (klingt so nach “Sache”), besser, einem Hund bei euch als neues Familienmitglied aufzunehmen, oder ihr jemanden kennt, der nach einem Hund sucht, dann schaut euch die Karpatenstreuner bei www.Karpatenstreuner.de an. Ihr werdet da traumhafte Hunde finden. Und wenn euch die Beschreibung der Hunde nicht langt, ich habe sie hier kennengelernt, alle, und jeder hat es verdient, ein zu Hause zu finden. Und jeder tierliebe Mensch hat einen Karpatenstreuner verdient. So, nun aber genug geschwärmt.

Szenenwechsel. Ich habe heute endlich meine 1. Hundehütte fertig gestellt, nach 3 Tagen. Aber das Teil ist eine Festung (siehe Fotos + Video), da kann ein wild gewordener Stier drinnen Samba tanzen, da passiert nix. Fort Knox ist ‘n Scheiß dagegen. Das war heute so mein Tag, abends noch mit den Mädels auf’m Zimmer noch zu Abend gegessen, danach Tagebuch geschrieben, schnell noch Neuigkeiten in FB aufsaugen und dann ist für heute Abend erstmal wieder DaddelDu.

Gute Nacht

6. Tag – Dienstag – 22.10.

Im Moment, wo ich dabei bin, meinen heutigen Tagesablauf zu rekonstruieren und zu beschreiben, merke ich gerade, dass mir meine Gedanken irgendwie querschießen und ich Schwierigkeiten habe, meine Gedanken zu sortieren. Ich vermute, es liegt daran, dass ich heute richtig harte (weil für mich inzwischen ungewohnte) Knochenarbeit geleistet habe. Dazu komme ich gleich. Mein Tag fing an, wie üblich mit Aufstehen, Frühstücken und dann ins Tierheim. Nach einer kurzen Augenscheinnahme unserer gestern kastrierten Hunde im “OP-Saal” bin ich dann recht schnell die knapp 100 Meter bis zum Tierheim gegangen. Aber schon beim Raustreten aus unserem OP-Haus fiel mein Blick auf ein paar Arbeiter, die heute zum ersten Mal hier zu sehen waren. Keine 50 Meter von unserem OP-Haus entfernt waren diese Arbeiter damit beschäftigt, das dort befindliche Gelände frisch mit Holzlatten blickdicht einzuzäunen. Es wird ein staatliches Tierheim werden (direkt vor unserer Nase). Einzige Aufgabe dieses “Tierheims” wird sein, dass neue rumänische Gesetz zur Euthanasierung (Tötung) anzuwenden. Der Bürgermeister schickt sein Hundefänger-Team durch die Stadt und bringt die eingefangenen Hunde, egal, ob alt oder jung, groß oder klein, Männlein oder Weiblein, kastriert oder nicht, alles egal, in sein stattliches Tierheim. Hunde, die innerhalb von 14 Tagen nicht adoptiert wurden, kommen da nicht mehr raus, werden getötet. Könnt ihr euch vorstellen, wie schrecklich das ist? Wir betreiben hier das Tierheim, um den Hunden ihr Leben zurück zu geben und nebenan, keine 50 Meter entfernt, setzen sie alles in Gange, um sich der Hunde zu entledigen, grausam! So doof, meinetwegen auch brutal das klingt, man muss es verdrängen. Denn wenn man sich die ganze selbstgemachte Scheiße hier komplett reinzieht, geht man daran zu Grunde, und ich kann eigentlich schon ‘ne Menge ab. Manchmal denke ich, ich träume das nur. Gleich werde ich wach, stehe auf und alles ist gut. Aber es ist leider kein Traum, sondern alles Realität. Und ich erzähle hier nichts, was mir andere erzählt haben, sondern nur, was ich selbst gesehen und erlebt habe.

Also, ich bin nun auf dem Weg zu unserem Tierheim. Ingrid hatte mich gestern Abend gebeten, heute erstmal nicht an dem Projekt “Hundehütten-Bau” weiterzuarbeiten. Ich soll heute einen Zwinger bauen. Wir haben natürlich Zwinger hier im Tierheim. Aber für die zusätzlichen Neuzugänge, die gerade frisch von der Straße eingefangen und kastriert wurden, ist auch ein neuer abgegrenzter Platz notwendig, der zurzeit aber noch nicht zur Verfügung steht. Es wäre toll, wenn mehr Hunde von den Karpatenstreunern vermittelt würden. Denn wenn hier 10 Hunde aus dem Tierheim auf PS oder ES vermittelt werden könnten, rettet man quasi automatisch 10 Hundeleben. Denn jeder Platz, der im Tierheim frei gemacht wird, bietet einem Streuner aus der Tötungsstation SEINE Chance auf Leben.

Ich habe mich also vor dem zukünftigen neuen Zwinger hingesetzt, Bleistift und Papier gezückt und mein neues Projekt auf’s Papier gebannt. Nachdem ich den Zwinger auf dem Papier fertig hatte, habe ich mit Ingrid noch einige wenige Details zum Zwinger mit ihr geklärt. Habe mir von ihr Geld und Autoschlüssel geben lassen, habe mir Attila geschnappt, der mir auch schon beim Hüttenbau geholfen hat, und dann sind wir los und haben Material eingekauft. Attila habe ich auf Englisch verklickert, was wir brauchen und dass es bitte auch nicht so teuer werden soll und Attila hat den Leuten im Baumarkt dann auf rumänisch verklickert, was ich ihm vorher verklickert hatte. Das ging gut so. So kommt man auch durch die Welt. Wir sind nach dem Einkauf dann wieder zurück zum Tierheim, mit einer 10-minütigen Unterbrechung. Was war geschehen? Na, was wohl? Wir haben einen Streuner die Straße entlang laufen sehen (dafür haben wir schon einen geschulten Blick). Was läuft dann bei mir ab?

Auge an Gehirn: Hund (vermutlich Streuner) gesichtet, linke Straßenseite, Auto aus, aussteigen, Leckerli (heute war es mal Dosen-Nassfutter) greifen, hinter dem Hund hinterher. Der Blödmann (oder Blödmännin, konnte ich auf die Entfernung nicht erkennen) läuft vor mir weg, obwohl ich ihm/ihr das Dosen-Nassfutter doch hinterherschleppe. Nach vielleicht 300 Metern bog Hund ab auf ein Firmengelände. Ich noch immer hinterher (mit offener Fleischdose). Er/sie wähnte sich offensichtlich in Sicherheit vor mir (aber vor mir kann man sich nie sicher sein), denn als ich auf diesem Gelände eintraf, stand der Hund neben einem Auto und hat sich da hinten raus entleert. Das war meine Chance. Also ohne Hektik dorthin, wo der Hund war. Die ersten Fleischstückchen habe ich ihm/ihr auf eine Distanz von ca. 5-6 Metern hingeworfen. Der Hund, scheinbar hungrig und neugierig geworden, kam dann tatsächlich zu mir und hat sich sogar aus der Hand füttern lassen (hach, wie schön). Ich bin dann wieder runter vom Gelände und immer den Hund im Blick. Ein Stück lang folgte er mir sogar (oder der nur noch halbvollen Fleischdose?) bis er dann einen anderen Weg einschlug, weil er wohl satt war. Gar nicht mal so doof die rumänischen Straßenhunde. Also, um es kurz zu machen: ich habe den Hund leider nicht einfangen können.

Nun gut, dann also wieder zurück zum Tierheim, da wartet ja auch noch Arbeit auf mich. Wieder im Tierheim, ging ich alsbald daran, meinen zu Papier gebrachten Zwinger-Plan in die Tat umzusetzen. Ich war schon eine Weile dabei, hier gibt es keine Besonderheiten zu erzählen, ihr wollt ganz sicher nicht, dass ich jeden Spatenstich oder Hackenschwung ausführlich dokumentiere, da stand Sophie, eine weitere Helferin unseres Projektes, 2-3 Meter neben mir am Holzzaun, der das Tierheim-Gelände vom Rest der Welt abtrennt. Sie schaute über den Zaun und sah da zwei helle Hunde rumlaufen. Dann fragte sie mich, ob “Effi”, meine Retriever-Hündin, über den Zaun springen kann. Ich schaute etwas verdutzt und sagte: “Ja, kann sie” (habe das selbst schon gesehen), und Sophie sagte noch: “schau mal”. Ich schaute und sprang (besser: kletterte) über den gut 2 Meter hohen Holzzaun. Ich glaubte, meine Effi da draußen rumlaufen zu sehen – in der Freiheit, auf der Straße. Ihr erinnert euch, was der Bürgermeister gerade bauen lässt und vorhat? Mir wurde ganz anders. Meine Effi in der Tötung? Nein, das darf nicht sein. Ich bin dann auf die beiden Hunde zugelaufen über einen frisch aufgerissenen Acker. Eine Weile schauten sich beide Hunde das an. Als ich vielleicht bis auf 70 Meter an sie heran gekommen war, haben beide Hunde eine tolle List angewandt: sie trennten sich, der eine links rum, der andere? Richtig, rechts rum. Hinter welchem nun hinterher? Ich entschied mich für den Hund, den ich für Effi hielt. Und das Biest macht sich einen Jux daraus, mich an der Nase über den Acker zu führen. Sie hat mich 2-3 Mal bis auf eine gewisse Distanz rankommen lassen. Hat da stehend gewartet, ob ich immer noch so blöd bin, zu versuchen, sie einzufangen. Und wenn ich ihr zu nahe war, hat sie Hackengas gegeben. Irgendwann habe ich sie aus den Augen verloren. Ich bin dann zwar noch weiter in die Richtung, in der ich sie vermutete, gelaufen, aber gesehen habe ich sie nicht mehr. Scheiße, solch ein Schicksal habe ich Effi nicht gegönnt. Wenngleich sie jetzt auch noch lebt, aber wie lange noch? Ich bin ziemlich gefrustet wieder zurück ins Tierheim. Die anderen wussten schon von meiner Effi-Suchaktion. Kurz vor dem Eingang zum Tierheim kam mir Sabine entgegen und erzählte mir mit einem Lächeln im Gesicht, dass Effi in ihrem Zwinger sitzt und gar nicht weg war. Gleichzeitig war auf dem öffentlichen Grundstück (eine offene Wiese) vor dem Tierheim, diese weiße Töle (@!=0@@@#*~), die mich über den Acker gezerrt hat und lief da ganz entspannt umher. Es war übrigens eine Hündin, die schon seit ein paar Tagen sich in unserer Nähe aufhält, sich aber nicht anfassen lässt, weil sie ziemlich scheu ist (was man von Effi nicht sagen kann). Danke, weißes Mädchen, für die Aufregung und den fast Herzkasper. Nochmal so’n Ding, dann kuck ich aber komisch. Na ja, vergeben und vergessen. Hauptsache Effi ist OK. Danach war für mich der Tag auch erstmal gelaufen. Ich wollte nur noch ausgiebig unter die Dusche. Wir hatten heute übrigens brütende Sonne, (geschätzte) 20-22 Grad Celsius könnten es gewesen sein und dementsprechend hatte ich auch bei der Arbeit geschwitzt. Ich schwitze ja normalerweise schon, wenn ich anderen Leuten bei der Arbeit zusehe, aber wenn ich dann auch noch selbst arbeite? Also Dusche tat wirklich Not. Als ich dann unter der Dusche stand und richtig schön eingeseift war, begann die Temperatur des Warm-Wassers rapide schnell abzusinken. Ich habe mich dann in neuer Bestzeit schnell entseift (ich bin bekennender Warmduscher). So war es dann heute auch nichts mit dem ausgiebigen Duschen.

Was für ein Tag heute. Gute Nacht

7. Tag – Mittwoch – 23.10.

Es wird nicht gerade einfacher jeden Tag etwas Neues ins Tagebuch zu schreiben, da sich manche Dinge (jedenfalls die handwerklichen) einfach wiederholen und deshalb nicht hier neu niedergeschrieben werden müssen. Ich habe heute in der Früh dabei geholfen, ein paar operierte Hunde aus ihren Transportboxen, in denen sie “zwischengelagert” wurden, ins Tierheim umzusiedeln. Ich hatte mir also Ronja geschnappt, um die ich mich kümmern wollte, weil sie ja unsere 1. Eingefangene Straßenhündin war. Ich saß im OP-Saal auf dem Fußboden und hatte Ronja auf dem Schoß liegen. Sabine kam rein und fragte, wo denn Ronja sei. Ich sagte: “Na, guckst du hier”. “Nein” kam von Sabine “des ies net Ronja”. Kurzer Blick von Sabine durch’s Zimmer und dann sagte sie: “des hier ies Ronja”. “Uups”. Da hat sich doch glatt jemand bei mir eingeschlichen. War natürlich meine eigene Dummheit, mir den falschen Hund zu schnappen. Ich bin dann irgendwann mit beiden Hunden zum Tierheim hin, um die beiden herzallerliebsten Racker in ihr neues Zu Hause, den Welpen-Zwinger (kein schönes Wort für das neue Zu Hause von Welpen) zu bringen. Ich bin natürlich mit rein in den Zwinger, weil ich sehen wollte, wie die beiden Neuzugänge in der Gruppe aufgenommen werden. Ich habe mich dann da mit hingesetzt und alles dann passieren lassen. Ronja, die “richtige”, ist nach kurzer Zeit ans Blech gegangen, in dem das Trockenfutter ausgelegt war und hat sich fürstlich bedient. Aber wehe, wenn sich einer von den “Alt-Welpen” ebenfalls ans Futter gewagt hat, dann hat Ronja die Zähne gezeigt (was die wohl schon in ihrem kurzem Leben auf der Straße schon erlebt hat?). Aber Ronja hat wohl nicht mit der Mama der “Alt-Welpen” gerechnet. Die war nämlich Ratzfatz vom Dach ihrer Hundehütte runter, das sie scheinbar als Ausguck benutzte, um ihre Kinder besser im Blick zu haben. Dann hat die “große” Mama (die gar nicht so mordsmäßig viel größer als Ronja war) die kleine Ronja mal zusammen gefaltet und dann war erstmal wieder Ruhe im Karton – solange bis Ronja erneut an das Futterblech ging und sich alles wiederholte. Wie lange dauert es eigentlich, bis ein Hund begriffen hat, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht erwünscht sind? Während ich also Ronja beobachtete, wie sie versuchte, höhere “Gewalten” auszuprobieren, hatte ich schon die ganze Zeit die “falsche” Ronja bei mir auf’m Schoß, eine Schmusemaus vor dem Herrn. Selbst als andere Welpen mein Streichel- und Knuddel-Potenzial ausreizen wollten, indem sie ebenfalls Platz auf meinem Schoß suchten (aber erst mal nicht fanden), hat die “falsche” Ronja “ihren” Platz nicht geräumt. Wann bekommt man auch schon mal so viele Streicheleinheiten ohne Unterbrechung? Solch einen Platz gibt man freiwillig nicht her.

Irgendwann musste ich mich natürlich wieder von den Hunden trennen, da ich ja noch arbeiten wollte. Ich muss hier erstmal einpflegen, dass es teilweise harte Knochenarbeit ist (und scheinbar haben wir hier auch noch Hochsommer), aber es macht Spaß, weil ich 10 Stunden lang arbeite, in einem Rudel von Fans, die zwischendurch von mir auch noch bespaßt werden. So hätte ich gerne mein bisheriges Arbeitsleben verbracht – Glück pur. Und es ist ein tolles Gefühl, wenn man mit der Arbeit fertig ist und man kann sehen, was man tagsüber geschafft hat und man kann es anfassen. Um unsere (Attila + ich) Arbeit für den Zwingerbau etwas leichter zu gestalten, habe ich mir von Ingrid das OK geholt, einen Erdbohrer zu besorgen (for rent). Der sollte nicht nur dazu beitragen, die Arbeit des Aushebens von Löchern zu erleichtern, nein, positiver Nebeneffekt ist, dass man auch erheblich schneller mit dem Zwingerbau fertig ist. Nach dem wir so ein Teil besorgt hatten, fuhren wir also zurück zum Tierheim. Von Sabine erfuhr ich dann, dass 26 Hunde aus dem Nachbar-Privat-Tierheim raus können und nach Holland gehen. Ein in Holland sehr bekannte Tierschutz-Organisation (Namen kenne ich leider nicht) hat wohl sehr große Erfolge in der Tiervermittlung. Das war mal eine Nachricht, die mir für den Rest des Tages ein breites Grinsen ins Gesicht gemeißelt hat.

Attila und ich sind ein gutes Team. Attila lebt in Rumänien, ist aber Ungar (bei dem Namen muss man das eigentlich nicht extra erwähnen) und ist 38 Jahre alt. Er findet es toll, dass ich Motorrad fahre, was er auch gerne machen würde und fragt mich danach, wie die deutschen Begriffe z.B. für “Spitzhacke” und “Kneifzange” sind. Also, die Begriffe, die ich jetzt hier geschrieben habe, kannte er nicht. Er zeigte dann auf die Sachen und sagte: “what ist the german word for this tool?” und dann sagte ich halt “Spitzhacke” oder “Kneifzange”.

Wir sind heute ein gutes Stück vorangekommen beim Zwingerbau und morgen wird es ganz sicher fertig werden. Ich vermute, ich werde mit Attila in den verbleibenden 1,5 Tagen ab morgen dann noch einen zweiten Zwinger bauen in der gleichen Größe wie der erste. Dann finden etliche neue Hunde in 2 Zwingern zu je 50 qm ihren neuen Platz, der sie auch erstmal vor den anderen Hunden schützt. Das heißt aber auch, dass ich eine zweite oder gar noch weitere Hundehütte nicht mehr anfangen werde zu bauen. Ich würde die vermutlich nicht mehr fertig kriegen. Außerdem hat Levente begonnen, auch eine Hundehütte zu bauen. Vielleicht will er zeigen, dass er das auch kann, vielleicht sogar besser. Egal, soll er. Alles für den Hund, nur das Endergebnis zählt. Und Zwinger werden schließlich auch gebraucht. Und dass ich es nicht geschafft habe, mehr als eine Hundehütte zu bauen, ist nicht schlimm. Sabine hat ein riesengroßes Herz für die gequälten Hunde dieser Welt. Für die Hunde hier im Tierheim hat sie fünf (!) nigelnagelneue Hundehütten gespendet, die erst noch von einem befreundeten Schreiner von ihr gebaut werden müssen. Ein dreifach “Hoch” auf Sabine.

Ach mir fällt gerade noch etwas ein, fast vergessen. Auf unserer Rückfahrt (von Attila und mir) von dem Laden, in dem wir uns den Erdbohrer ausgeliehen hatten, sahen wir einen kleinen Hund, der teilweise am Straßenrand und dann auch mal wieder fast mitten auf der Straße lief. Etwa auf gleicher Höhe ging ein Einheimischer mit einer Schubkarre und einem kleinen, ca. 5 Jahre alten, Jungen. Wir hatten erstmal nur den Hund im Visier. Für Attila und mich war nicht eindeutig zu erkennen, ob der Hund nun zu diesem Mann gehören würde. Ich bat Attila, den Mann zu fragen, ob dieser Hund seiner wäre, was Attila denn auch tat. Die schnelle Antwort war: “Nein”. Daraufhin habe ich das Auto angehalten und bin aus dem Auto rausgestürzt, denn der Hund lief immer noch mitten auf der Straße. Als der Mann dann merkte, dass wir diesen Hund einfangen wollten, korrigierte er schnell seine Antwort, nahm den Hund zu sich auf den Arm und bedeutete uns, dass das sein Hund sei. OK, das Gegenteil konnte ich ihm auch nicht beweisen. Ich habe den Hund dann den Rest einer bereits vorher schon angebrochenen Hundefutter-Dose gegeben, die er erst skeptisch angesehen (vielleicht hatte er in seinem Leben sowas vorher noch nicht bekommen) und dann aber hastig inhalliert hat. Wir, besser Attila, erzählten dem Mann dann, dass wir hier im Ort eine Kastra-Aktion durchführen und wir “seinen” Hund gerne dafür mitnehmen würden und er den Hund natürlich wieder bekommen würde. Auch er war sehr skeptisch und ließ uns wissen, dass er mit seiner Frau Stress kriegen würde, wenn der Hund (es war eine Hündin) plötzlich kastriert nach Hause kommen würde. Attila ließ ihn wissen, dass der Bürgermeister dabei ist, eine Tötungsstation zu bauen und dass seine Hündin Gefahr lief, im Zuge der Einfang-Aktion des Bürgermeisters in die Tötungsstation zu kommen. Das schien ihn beeindruckt zu haben. Plötzlich zeigte er sich bereit, seine Hündin doch kastrieren zu lassen. Zum Dank gab ich ihm noch eine weitere, ungeöffnete Dose Hundefutter. Ich habe ihn heute dann aber nicht mehr gesehen. Schade. Ja, so war unser Tag. Gott sei Dank geht nicht jeder Tag beschissen zu Ende.

Gute Nacht

8. Tag – Donnerstag – 24.10.

Heute gibt’s definitiv nicht viel zu erzählen. Attila und ich haben heute unseren gestern angefangenen Zwinger zu Ende gebaut und einen zweiten, direkt angrenzend, angefangen und fast komplett fertig gestellt. Da fehlt nur noch die Eingangstür, die wird morgen fertig gemacht. Und dann ist der 2. Zwinger ebenfalls fertig. Ingrid hat sich sehr über den fertigen Zwinger gefreut, Barbara auch, so dass mir heute die Ehre zu Teil wurde, dem 1. Bewohner von “Werner-City” dort hineinzubringen. Da diese neuen Zwinger ja hauptsächlich für die frisch kastrierten Hunde gedacht waren, habe ich mir eine geeignete Hunde-Dame ausgesucht und sie hinüber getragen. Das war aber nicht leicht, nicht das Hinübertragen, sondern das Aussuchen, welche denn die Erste sein sollte. Alle 3 in dem Aufwachraum schauten mich so liebevoll an, dass ich einfach nicht wusste, wen ich nehmen sollte. Ich habe mich auf meinem Dog-House positioniert mit der Hunde-Dame meines Herzens. Ingrid hat dann noch ein paar Fotos gemacht. Nachdem so nach und nach weitere Hunde gebracht wurden, füllte sich “Werner-City” allmählich. Es macht mich stolz, dass mein Machwerk von den Hunden angenommen wurde. Was kann’s schöneres geben?

Wir haben in den letzten Tagen viele Neuzugänge im Tierheim gehabt. Da gibt es unglaublich liebe und treuherzige Wesen dabei. Ich habe da so ein Fusselteil, also Rassen gibt’s hier nur wenige und was der ist, weiß ich nicht, halt fusselig. Aber wenn ich den Zwinger betrete, dann klebt der wie ‘ne Klette an mir. Kaum abgesetzt, hebt er schon wieder die Vorderbeine und stellt sich gegen mich und will am liebsten wieder auf den Arm. Nachdem der 1. Zwinger fertig gestellt und bewohnt wurde, hatten wir dann schon bald damit begonnen, die Zaunelemente für den 2. Zwinger in Position zu bringen. Ganz nah am Zaun, immer in meiner Nähe, lag eine schwarz glänzende Schönheit. Die hat’s mir auch angetan und ich ihr, ganz bestimmt. Bei der sind wir uns gar nicht sicher, ob sie wirklich ein Stray-Dog ist oder nicht. Die sah so gut gepflegt aus. Ich habe ihr den Namen “Lady” gegeben. Wenn sie einen Besitzer hat, hoffentlich kommt er und holt sie ab. Lady gehört hier nicht her.

Unsere Zeit hier ist bald rum. Wir haben nur noch morgen und übermorgen früh. Mitten in der Nacht, geht’s schon wieder nach Hause. Ich werde hier schweren Herzens mein Hotel und das Land verlassen, weil ich nicht weiß, wie die Zukunft all meiner Lieblinge aussehen wird. Wird es überhaupt eine Zukunft geben für Ronja (die richtige + die falsche), für Effi, Merlin, Blackie, Foltos, Teke, Scady, Balian und die neuen noch namenlosen, und wie wird diese Zukunft aussehen? Nicht unerwähnt lassen will ich die, die mir vielleicht nicht so aufgefallen sind und mir so nah waren wie meine Lieblinge. Aber auch bei denen waren etliche dabei, die einfach nur lieb, zauberhaft und herzerwärmend sind. Wenn man ihnen doch nur helfen könnte. Es ist so schwer, sich vorzustellen, dass sie bis an ihr Lebensende hier im Tierheim bleiben müssen, vielleicht niemals die Liebe und Wärme spüren werden, die möglich sind. Alle Tiere haben es hier im Tierheim nicht schlecht, es wird gut gesorgt für sie. Aber ein Hund sollte nicht irgendwann im Tierheim sterben müssen. Ich werde sicher noch viele Momente haben, in denen ich mich zurück erinnere an die Zeit hier im Tierheim in Gheorgheni, an die vielen wundervollen Hunde, an unsere gemeinsame Zeit, die ich mit einigen mit Kuscheln verbracht habe, aber auch an die (Gott sei Dank nur wenigen) schlechten Wahrnehmungen. Diese Hunde hier aus Rumänien sind so wunderbar, halt echte Freunde für’s Leben. Ich drücke allen die Daumen, dass sie das Glück haben, adoptiert zu werden. Für heute soll’s erstmal genug sein. Für mich war’s heute ein arbeitsreicher und anstrengender Tag.

Ich bin sehr müde und wundere mich gerade, dass ich doch mehr geschrieben habe, als eigentlich gedacht. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht

9. Tag – Freitag – 25.10.

Normalerweise schreibe ich mein Tagebuch am Ende des Tages, vor dem Zu Bett gehen. Diesmal nicht. Das hier geschriebene ist erst 1,5 Tage später geschrieben. Mich hat eine Erkältung schon vor ca. 3 Tagen gepackt und so dermaßen in die Knie gezwungen. Kombiniert mit der körperlichen Anstrengung der letzten Tage und viel zu wenig Schlaf in der Nacht vor dem Heimflug, war ich nicht in der Lage, meinen letzten Bericht zu schreiben. Ich bin zwar immer noch nicht richtig wieder obenauf, aber schon wieder willens und fähig, zu schreiben.

Also los: Zweiter Zwinger wurde fertig gestellt, Hundehütte wurde noch mit Dachpappe versehen, damit es von oben nicht reinregnen kann. Damit war meine Arbeit eigentlich getan. Der Tag war aber noch lange nicht zu Ende. Barbara hatte vorgeschlagen, an den Trennwänden verschiedener Zwinger sowas wie einen Sichtschutz anzubringen. Ich bin dann nochmal los, habe 12 große Holzplatten besorgt. Nachdem die dann angeliefert wurden, haben Attila und ich angefangen. Wir haben leider nur die Trennwand zwischen unseren beiden neuen Zwingern fertig gekriegt. Danach hat Attila dann Feierabend gemacht (hat er sich verdient). Alleine konnte ich aber auch nicht weiter machen, weil dafür Minimum 2 Leute für notwendig sind. Handwerklich war für mich nichts mehr zu tun. Ab jetzt war meine Zeit gekommen, mich zu verabschieden von meinen Freunden.

Effi Als erstes war ich bei Effi, meiner ersten Hündin, die sich mich ausgesucht hat, nicht umgekehrt. Sie hat einen unglaublichen Eindruck auf mich gemacht. Ich war wirklich überwältigt von ihrer Hingabe. Ich kann ja nur beschreiben, wie das Verhältnis zwischen ihr und mir war (ja, ich weiß, klingt merkwürdig, aber momentan fällt mir nichts Passenderes ein), aber ich bin überzeugt, dass sie jedem diese Hingabe bescheren wird. Sie muss unbedingt jemanden finden, der sie da herausholt.

Blackie Mein nächster Weg war zu Blackie. Blackie ist umwerfend, nicht im Wortsinn, sondern vom Wesen. Ich habe Blackie als Traumhund wahrgenommen. Blackie hat förmlich aufgeblüht, wenn ich nur in der Nähe ihres Zwingers war. Den Tanz (im wahrsten Sinne des Wortes), den sie aufgeführt hat, wenn sie mich gesehen hatte, war an sich schon ein Kompliment an mich. Ich habe vorher nicht gewusst, auf welch vielfältige Art Hund und Mensch miteinander kommunizieren und interagieren können. Mit Blackie habe ich ausgiebig geknuddelt, sie fest in den Arm genommen und versucht, ihr damit zu sagen, dass sie ein toller und wunderbarer Hund ist. Auch ihr wünsche ich von ganzem Herzen, dass sich jemand für sie begeistert, denn sie kann sich auch für “ihr” Herrchen bzw. Frauchen begeistern. Für Blackie würde ich sagen, ist es zutreffend, wenn man sagt, dass der Hund der einzig wahre Freund des Menschen ist. (Update vom 12.11.2013) Ich habe von Ingrid gehört, dass Blackie auch schon einen Platz in Deutschland hat.

Merlin Mein nächster Besuch galt Merlin, ein schon alter Hund (vielleicht 8 oder 9 vielleicht 10 Jahre alt), der laut Ingrid wohl auch so ein paar Zipperlein hat, und vielleicht noch 1 oder 2 Jahre zu leben hat. Merlin wäre vielleicht ein Hund für einen geeigneten Gnadenhof oder aber auch für jemanden, der einem alten Hund noch einen schönen Lebensabend bereiten möchte. Er hat’s ganz sicher verdient. Er hat sich immer sehr hingebungsvoll von mir streicheln und das Fell durchbürsten lassen. Wenn jemand Merlin zu sich holen sollte, sollte er bereit sein, ihm weiterhin diese Art von Zuwendung zu geben. Es bricht mir das Herz, dass Merlin vielleicht hier im Tierheim sterben wird, ohne jemals Gelegenheit bekommen zu haben, in einem wohnlichen Zuhause geliebt zu werden. Für den heutigen Abschied muss Merlin sich erstmal damit begnügen, dass er die vorerst letzten Streicheleinheiten von mir bekommt.

Effi, Blackie und Merlin waren natürlich nicht die einzigen Hunde, die diese Streichel- und Knuddel-Prozedur über sich ergehen lassen mussten, Jamal, Linda und noch viele andere waren auch noch dran.

Mein letzter Besuch führte mich in einen Freilauf, in dem ein ganzer Schwung Hunde sich eben halt frei bewegen konnten. Das war der Platz, auf dem ich meine erste (und leider auch einzige) Hundehütte gebaut hatte. Mehr als nur einmal (gefühlte 50 Mal) hat mir das Räuberpack meine Arbeitshandschuhe, bzw. einen davon, geklaut. Alles vergeben und vergessen. Bis zum Schluss konnte ich meine nun inzwischen gut zerfledderten Handschuhe immer wieder finden und sinngemäß verwenden. Den besten Kontakt zu den Hunden hatte ich immer, wenn ich mich bei ihnen im Zwinger oder im Freilauf hingesetzt habe. So auch hier. Kaum gesessen, war ich scheinbar einer von ihnen. Und als ich da so saß und mich mit Lorenz und Scady und anderen beschäftigt hatte, kam noch jemand auf mich zu.

Jackie eine Jack-Russel-Dame, geschätzt 3-5 Jahre alt und vermutlich, nach meiner Einschätzung, vor nicht allzu langer Zeit Mama geworden, da sie noch ziemlich stark ausgeprägt Zitzen hat. Eine Hündin, die ich in den ganzen Tagen vorher im Tierheim leider nicht bemerkt hatte. Entweder weil sie so ruhig war oder weil sie einfach nicht in meinem Blickfeld auftauchte. Als der Weg zu mir einigermaßen frei war, setzte sich Jackie zu mir auf meine beiden Oberschenkel, rollte sich ein wie ein Igel und ließ sich ausgiebig und hingebungsvoll von mir durchkuscheln. Ich fand das ebenso toll wie Jackie auch. Eine halbe Stunde gab Jackie keinen Laut von sich, so als würde sie denken “bloß nichts sagen, keinen Piep, sonst denkt der Mann vielleicht, ich bin böse und dann nimmt er mich nicht mit sich mit”. Ich habe noch nie einen so ruhigen und entspannten Jack-Russel kennen gelernt. Mitnehmen konnte ich sie trotzdem leider nicht, aber ich werde versuchen, auch für sie Werbung zu machen. Ich wünsche Jackie sehr, dass sie “ihr” zu Hause findet.

Der letzte Abschied, den ich mir für zuletzt aufbewahrt habe, war der von Lady. Lady ist ein Neuzugang und war eine der ersten Hündinnen, die im ersten neuen Zwinger unterkam. Ob Lady den Namen „Lady“ behalten wird, weiß ich nicht, den hat sie einfach so von mir bekommen. Lady gehört da nicht hin ins Tierheim. Ich weiß, niemand von den Hunden gehört dahin. Aber bei Lady empfand ich es als dringender, dass sie dort raus kommt, als bei den anderen Hunden. Als sie im Zwinger einquartiert wurde, schien sie mir sehr menschenbezogen zu sein, sie suchte ständig meine Nähe wenn ich im Zwinger war. Und wenn ich mal länger außerhalb des Zwingers war, dann hat sie geweint. Ich bin sicher, dass sie geweint hat. Als ich sie das erste Mal im Zwinger gesehen habe, hatte ich den Eindruck, dass sie kein Straßenhund sein konnte. Sie hatte ein schwarzes, sehr gepflegtes, glänzendes Fell, eher untypisch für einen Straßenhund. Meine Vermutung ist, dass Lady kurz zuvor noch ein Heim hatte. Ich hoffe, sie hat einen Besitzer, der sie nun vermisst und sie dort rausholt, oder irgend jemand anderer. Sie tut mir sehr leid. Ich habe mich mit einem schlechten Gefühl von Lady getrennt.

Es war schon dunkel und spät und ich habe das Tierheim mit einer gehörigen Portion Wehmut verlassen. Ich bin die knapp 100 Meter bis zu unserem OP-Haus gegangen und habe mich ins Auto gesetzt und auf die anderen gewartet. Als wir dann abfahrbereit waren, habe ich Barbara gebeten, am Tierheim noch einmal Halt zu machen. Ich bin ausgestiegen und habe meine beiden Arbeitshandschuhe dann über den Zaun geworfen, dorthin wo die Handschuh-Räuber waren. Es war für mich ein symbolischer Akt, der bedeuten sollte, ich komme wieder und hole mir meine Arbeitshandschuhe wieder zurück, so wie ich es in den vergangenen 9 Tagen schon ca. 50 Mal getan habe.

Ich liebe euch alle und ich wünsche mir für euch alle eine hundegerechte Zukunft. Danke Ronja (die richtige + die falsche), “Er” (heißt inzwischen Jason), Effi, Merlin, Blackie, Foltos, Teke, Scady, Balian, Lady, Jacky, Jamal, Arva, Bella, Dalarna, Dandy, Donald, Dusty, Ferdinand, Hoka, Husky, Juhasz, Lucky (leider nichts vorhanden), Lorenz, Noru, Razka, Timi für die Zeit, die ich mit euch zusammen verbringen durfte. Ihr habt mir gezeigt, wie wichtig ihr für die Menschen seid. Ich werde euch nicht vergessen.

Nachwort:

Tötungsstation: aktuelle Situation ist, dass schon während unserer Anwesenheit in Gheorgheni durch den Bürgermeister ein staatliches Tierheim gebaut wird. Also, ein vorhandenes Gelände wird “blickdicht” eingezäunt. Die städtischen Hundefänger bringen ihre “Beute” dorthin. Alle Hunde, die während der folgenden 14 Tage nicht adoptiert sind, werden getötet, ENDE, AUS, VORBEI – TOT. Wer helfen will, dieses Hundetöten zu verhindern, den bitte ich, sich auf www.Karpatenstreuner.de umzusehen, ob er da einen Hund findet, dem er ein neues zu Hause geben kann. Jeder, der im Tierheim, das von Ingrid betreut wird (nicht das neu erbaute staatl. Tierheim) einen Hund findet, der ausreisen kann, bietet einem Hund aus der Tötungsstation die Chance, zu überleben. Denn jeder freigewordene Platz in unserem Tierheim, wird besetzt mit einem Todeskandidaten.

Gute Nacht und für die Hunde: Auf Wiedersehen

(Update vom 12.11.2013) Die Hunde, die sich auf dem Platz neben unserem Tierheim befinden, sollen alle von der niederländischen Organisation übernommen werden. Für diese Hunde ist das wie 3 x 6 richtige im Lotto. Allerdings soll Gab….. schon wieder neue Hunde sammeln. Eigentlich ein Trauerspiel. Aber dort sind sie wenigstens erstmal sicher vor den Tierfängern des staatlichen Tierheims.