24. Mai 2012. Nur gut zwei Stunden Flugzeit …
… und ich bin in einer anderen Welt. Jedesmal wieder macht mein Herz kleine Freudenhüpfer, wenn ich durch die so “typischen” Straßendörfer in der unendlich grün-hügeligen Landschaft fahre. Seit 22 Jahren schon ist für mich Rumänien ein Stück Heimat, aber eines mit gemein spitzen Ecken und scharfen Kanten. Bunte siebenbürgische Dörfer, triste Plattenbauten aus der Ceausescu-Ära, und die regenreichen Transsilvanischen Wälder wechseln sich auf der zweieinhalbstündigen Fahrt vom Flughafen Târgu Mures nach Gheorgheni ab. Kurz das Gepäck in das Pensionszimmer bringen, dann ein erster Besuch im Tierheim. Das muss sein. Es hat heftig geregnet und der Weg zum Tierheim ist nahezu unbefahrbar. Aber wenigstens einen ersten Überblick wollen Babara und ich uns verschaffen, damit wir wissen, was uns in den nächsten Tagen erwartet.
Ankunft im Tierheim nach kräftigen Regenfällen
Alles wirkt unendlich trostlos, grau und völlig vermatscht, der Lärm der kläffenden Hunde ist erstmal wieder schwer gewöhnungsbedürftig, der Gestank kaum auszuhalten, aber die mehr oder weniger matschverschmierten Hunde kommen an die Gitter gelaufen, springen daran hoch und freuen sich über uns Menschen. Wieso hoffen sie eigentlich immer noch auf uns, wieso vertrauen sie uns, wieso hassen sie uns nicht, nach dem was unsere Spezies ihnen oft angetan hat?
Nur Foltos, der Wachhund an seiner langen Laufkette würde uns am liebsten wieder verjagen.
Am nächsten Morgen hat der Regen aufgehört
auf der Straße sind zahlreiche Pferdefuhrwerke unterwegs, ich liebe dieses Geräusch, manche Pferde tragen rote Bommeln und kleine Glöckchen am Geschirr. Jetzt gibt es wieder saftige Weiden und die Pferde konnten sich sattfressen. Im zeitigen Frühjahr sehen sie oft sehr elend aus. Vor uns liegt viel Arbeit, um 9.00 Uhr werden wir von Agota Jacab und zwei weiteren Frauen aus dem Verein GATE ( Ungarisch: Gyergyószentmiklósi Àllat és Természetvédő Egyesület. Rumänisch: Asociatia pentru protectia animalelor si a mediului Gheorgheni.) abgeholt. Im sauberen Morgenlicht sieht das Tierheim schon besser aus.
Die Hunde sind inzwischen trocken und freuen sich laustark über den Besuch. In den nächsten Stunden und Tagen werden wir Zwinger für Zwinger besuchen, fotografieren und Notizen machen.
Barbara im Zwinger, die Hunde begutachten sie freundlich-neugierig bis stürmisch.
Agota kennt alle Hunde und ihre Geschichten.
Zum Beispiel ORIAS: Im eiskalten Februar 2012 wurde die trächtige Hündin ins Tierheim gebracht, dort brachte sie 7 Junge im tiefen Schnee zur Welt, die alle noch in derselben Nacht erfroren sind. Meist liegt sie seither teilnahmslos in einer Hütte, als frage sie sich, warum sie hier eigentlich eingesperrt sein muss.
Ganz anders die kleine PHOEBE: Menschen sind toll; kraulen, kraulen, kraulen … das mag die kleine Hündin am liebsten
Der kleine Rüde (ca. 40 cm) HOLLO wurde etwa 2001 geboren; zu Menschen ist er freundlich und aufgeschlossen; mit Hunden kommt er auch zurecht, aber im Grunde wäre er am liebsten ein Einzelhund, der seine Menschen ganz für sich haben möchte.
VUK hingegen hätte sicherlich gerne einen souveränen Leithund, der ihr die Welt der Menschen erklärt. Sie möchte uns ja gerne vertrauen, aber ganz so einfach ist das für sie noch nicht …
Die knapp einjährige VADOLO hat überhaupt kein Vertrauen zu Menschen, obwohl sie seit ihrer Welpenzeit im Tierheim lebt. Sie verkriecht sich am liebsten in der Hütte und hofft auch jetzt, dass ich möglichst schnell wieder unsichtbar werde.
Die rund zwei Monate jungen Hundemädchen ENNIKÖ, TÜNDE und CSILLAG würden mir am liebsten auf den Schoß klettern und unter die Jacke krabbeln. Es ist kaum möglich sie zu fotografieren, so nah wollen sie kommen. Ich lasse sie für ein Foto kurz an meiner ausgestreckten Hand knabbern, aber die spitzen Zähnchen tun mir weh.
Ein altes Handtuch haben wir längs in drei Streifen geschnitten, mit ein paar Knoten versehen, und schon haben die Hunde für kurze Zeit ein einfaches Spielzeug, eine halbe Stunde Spaß und Beschäftigung in der täglichen Tristesse ihrer Zwinger, die sie nie verlassen können.
Es ist so deprimierend anzusehen, wie hier die Junghunde ohne irgendwelche Möglichkeiten, die Welt kennenzulernen, aufwachsen müssen: Tag für Tag immer nur der winzige Zwinger, keine Spaziergänge, keine neuen spannenden Gerüche, keine anderen Menschen, Tiere, niemals auf Gras laufen oder mal mehr als 5 Meter in eine Richtung rennen können … Die fantastischen Hundenasen und alle anderen Sinne verkümmern, denn alles riecht immer gleich, der Schmutz durchtränkte Boden, das Einheitsfutter, die anderen Zwingerkollegen. Es wundert mich immer wieder, dass sie in diesem Umfeld nicht völlig abstumpfen. Doch bei meinen Pflegehunden aus dem rumänischen Tierheim in Miercurea Ciuc habe ich immer wieder erfahren dürfen, dass sie innerhalb kürzester Zeit regelrecht aufblühen können und vieles nachholen, was sie bis dato versäumt haben. Diese unglaublich anpassungsfähigen Hunde lernen wahnsinnig schnell, sich in einem neuen besseren Leben zurechtzufinden.
Ich wünsche mir so sehr, dass sie alle bald auch mal über diese Wiese innerhalb des Tierheimgeländes rennen dürfen, die sie sonst nur vom Zwinger aus bewundern können
Zum Beispiel die 8 Monate junge MISS SOFIE, die immer ungemein beschäftigt ist, sich abwechselnd an mich kuschelt und kraulen lässt, dann ganz schnell mal eben nachsehen muss, was die anderen Hundies machen, dann wieder bei mir vorbei kommt …
oder der junge WASJA …
oder die einjährige GYPSY …
… oder die schon ältere nierenkranke Hündin SERWES …
Was wir dazu brauchen?
Das Geld für ca. 20 Meter Zaun, den die Mitarbeiter in Eigenregie bauen könnten. Damit können einige Areale so unterteilt werden, dass während der Reinigungsarbeiten die Hunde aus den Zwingern gelassen werden. Auch wenn es täglich nur eine Stunde ist, sie hätten Spaß und Bewegung und könnten dabei Frust und angestaute Aggressionen abbauen.
Wir finden, das wäre doch schon ein erster Schritt. Das war auch Agota’s und Levente’s erster Wunsch, den sie uns gleich am ersten Tag vorgebracht haben.